Mit „Zeppelin 126“, meinem letzten Krimi aus der
Weimarer Republik, habe ich mir selbst ein Bein gestellt. Der klassische
poirot-artige Aufbau, die unerwarteten Wendungen im Plot, das Setting in einem
der faszinierendsten Verkehrsmittel aller Zeiten und der spektakuläre Showdown
– wie, verdammt noch mal, will ich das toppen? Ist es nicht geradezu
vorprogrammiert, dass der Nachfolgeband alle Erwartungen enttäuschen muss?
Monatelang habe ich mir im vergangenen
Jahr den Kopf zerbrochen, wie ich Handlung und Figurenkonstellationen in Band 5
ähnlich aufregend gestalten und welche extravaganten Schauplätze ich dort
einführen könnte, doch am Ende bin ich zu dem Schluss gelangt, dass es Unsinn
ist, eine Geschichte künstlich aufzupeppen, dass ich vielmehr der spannenden
Zeit und dem Thema vertrauen sollte. Band 5 spielt nämlich im Theatermilieu,
das ich aufgrund meiner vierzehnjährigen Tätigkeit an deutschen Theatern aus
dem Effeff kenne (mehr dazu vielleicht ein andermal).
Das Konzept erarbeitete ich dann
im Groben bereits im letzten Herbst, wobei es in den vergangenen Wochen um
wichtige Aspekte ergänzt wurde, zum Beispiel um die Art, wie das Verbrechen
aufgeklärt wird. Zwischendurch habe ich immer wieder recherchiert, zunächst zum
allgemeinen politischen und sozialen Hintergrund, um meine Geschichte zeitlich
einordnen zu können. Dabei kristallisierte sich heraus, dass sie am besten im
Mai oder Juni 1926 spielen sollte.
Jetzt sind vor allen Dingen erst
einmal die Schauplätze und die Bühnengegebenheiten wichtig. Auf meinem
Couchtisch (neben meinem saugemütlichen Lesesessel) stapeln sich Bücher aus den
Bibliotheken Berlins, und es werden jeden Tag mehr: Deutsches Theater, das
Romanische Café, Revue und Tingeltangel, Nackttanz, Bühnentechnik,
Zeitchroniken, Max Reinhardt und das Regietheater, Stanislawski, Shakespeare,
Schauspieler- und Regisseurbiografien. Und dabei habe ich die tagesaktuelle
Politik – Auseinandersetzung um die Fürstenenteignung, Hindenburgs Wahl zum
Reichspräsidenten, Fememorde, „Mein Kampf“, Konkurs des Stinnes-Konzerns etc. –
noch nicht einmal angekratzt.
Durch meine Arbeit als
Regieassistent kenne ich natürlich den Theateralltag, doch gerade darin liegt
eine Gefahr, denn manches mag früher anders gewesen sein als heute, ich darf
also nichts als gegeben voraussetzen. So stellen sich mir wieder einmal Fragen
über Fragen: Unterschied sich der Probenablauf damals vom heutigen? Wie sahen
die Garderoben aus, wie der Schnürboden, die Unterbühne, der Souffleusenkasten?
Gab es ein Inspizientenpult, und wenn ja, welche technischen Möglichkeiten bot
es? Existierten gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeiten? Und hat man sich damals
auf den Proben gesiezt?
Am Montag war ich zum ersten Mal
im Archiv des Deutschen Theaters Berlin, nächste Woche bekomme ich dort eine
Hausführung, das wird sicher spannend. Ich werde an dieser Stelle darüber
berichten.
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Gunnar