Vor kurzem habe ich mir im
Fernsehen eine Dokumentation über Amazons Verlagspläne angesehen, und konnte
wieder einmal nur den Kopf schütteln über das simple Weltbild der betreffenden
Journalistin und die verlogene Empörung aus der Verlagsbranche. Natürlich halte
auch ich es für eine Gefahr, wenn ein Konzern zum Monopolisten wird, und die
Buchpreisbindung würde ich mit Zähnen und Klauen verteidigen. Und, ja, Amazon
guckt auf die Verkaufszahlen und nimmt dann lediglich Autoren unter Vertrag,
die bereits selbst dafür gesorgt haben, dass sie erfolgreich sind, die also
Amazon die verlegerische Arbeit abnehmen. Aber zu suggerieren, dass die
etablierten Verlage die Gralshüter der Literatur seien und ihre Entscheidungen
niiie aufgrund kommerzieller Erwägungen treffen, sondern aus lauter Edelmut
waghalsige Risiken eingehen würden, um die Kultur zu fördern, ist lächerlich.
Kleinstverlage riskieren
bisweilen etwas und nehmen auch wenig lukrative Bücher ins Programm, an die sie
glauben, Kleinstverleger machen manchmal ihre Leidenschaft für ein Thema zum
Programmschwerpunkt. Die mittelständischen und erst recht die Konzernverlage
arbeiten ausschließlich erfolgsorientiert. Würden sie wie Amazon vorab über Verkaufszahlen
verfügen, dann würden auch sie es nicht anders machen als der Branchenriese.
Dass Autoren von Verlagen über einen langen Zeitraum aufgebaut werden und dass
diese Verlage den Autoren auch über Durststrecken und schlecht verkäufliche
Bücher hinweg die Treue halten, mag vor vierzig Jahren so gewesen sein,
gelegentlich höre ich solche Geschichten aus mythischer Zeit. Heutzutage jedoch
wird ein Buch, das sich nicht umgehend in hoher Auflage verkauft, in der Regel
nach spätestens zwei Jahren vom Markt genommen und verramscht.
Nicht zuletzt habe ich selbst
erlebt, dass eines meiner Bücher, das bei einem Konzernverlag erschien,
praktisch nicht beworben wurde. Dabei habe ich durchaus Verständnis dafür, dass
Verlage ihre Kräfte bündeln und für kommerziell vielversprechende Titel mehr
tun als für andere. Aber wenn eine Buchhändlerin beim Verlag anfragt, ob sie
für eine Lesung mit mir ein Plakat bekommen könnte, und zur Antwort erhält, es
gäbe keine Plakate dafür, weil mein Buch „kein Premiumtitel“ sei, ist das ein
Armutszeugnis und ein Zeichen für schlechtes wirtschaften. Von Kolleginnen und
Kollegen höre ich ähnliche Erfahrungen.
Deshalb sind es auch gewiss nicht
die Verlage, derentwegen ich den immer größer werdenden Einfluss von Amazon
bedauere, sondern die Buchhändlerinnen und Buchhändler, von denen einige dicht
machen müssen, weil ihnen der Onlineverkauf von Büchern die Kundschaft
vertreibt. Die Buchhändlerinnen und Buchhändler vor Ort sind es, die gemeinsam
mit den Bibliotheken Basisarbeit betreiben und dafür sorgen, dass den Menschen
das Medium Buch nahegebracht wird. Die Kindheitserinnerungen, die ich daran
habe, mit welchem Staunen ich in Buchhandlungen stand und wie sich mir dort
neue Welten eröffneten, welch ein Vergnügen es war, einfach nur zu stöbern und
mal hier und mal dort reinzulesen, möchte ich um keinen Preis missen. Dass
ganze Städte verarmen, weil sie wie mancherorts in den USA ohne eine einzige
Buchhandlung auskommen müssen, ist eine Horrorvorstellung, von der ich nur
hoffen kann, dass sie in Deutschland niemals Wirklichkeit werden wird.
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Gunnar