Sonntag, 13. Juli 2014

Vom Vorlesen



Gelegentlich werde ich gefragt, ob ich lieber für Kinder, Jugendliche oder Erwachsene lese. Die Antwort ist: Ich habe keine Präferenzen, weil alle drei Altersgruppen ihren eigenen Reiz haben. Erwachsene hören natürlich am konzentriertesten zu, das ist nicht nur angenehm, sondern gibt mir darüber hinaus die Möglichkeit, Nuancen aus meinen Texten zu kitzeln. Kinder reagieren dafür spontan und unzensiert, und das Gefühl, in große Augen und aufgerissene Münder zu gucken, wenn  es mir gelingt, sie zu „kriegen“, ist überaus beglückend. Jugendliche sind meist die unkonzentriertesten Zuhörer, insbesondere, wenn sie als Schulklasse zum Zuhören verdonnert wurden, dafür sind die Diskussionen hinterher besonders fruchtbar, weil Jugendliche einerseits noch so hemmungslos fragen wie Kinder, andererseits aber so tiefschürfend wie Erwachsene.

Auch ich selbst lerne natürlich mit jeder Lesung dazu. Wenn ich z. B. Kindern aus meinem „Schnatzelschnapf!“ vorlese, unter anderem eine Geschichte, in der es um Angst und ihre Bewältigung geht, dann habe ich früher im Anschluss daran gefragt: „Hattet ihr denn auch schon mal Angst?“ Das ging häufig gut und mündete in eine Vielzahl von Angstgeschichten der Kinder, sobald jedoch nur ein Einziger erklärte, nö, er habe noch niiie Angst gehabt, war es natürlich vorbei. Dann hatte niemand in der Klasse jemals Angst gehabt, und das Gespräch war zu Ende. Deshalb bin ich dazu übergegangen, die Frage umzuformulieren. Heute frage ich: „Wann hattet ihr denn schon mal Angst?“

Vergangenen Donnerstag habe ich übrigens in Münsingen vor einem erwachsenen Publikum aus „Organisation C.“ gelesen, im Hofgut Hopfenburg (sehr idyllisch). Ursprünglich war eine Lesung am Lagerfeuer vorgesehen, was ich klasse gefunden hätte, aber das Wetter war nasskalt, daher war ich froh, dass die Lesung nach drinnen verlegt wurde. Wir saßen dann vor dem breitesten Kamin, den ich je gesehen habe, hinter mir bullerte ein Holzfeuer, im Sessel neben mir hatte es sich der Hofkater gemütlich gemacht und ließ sich die kompletten zweieinhalb Stunden Lesung und Diskussion nicht stören, auch nicht, als ich das 17. Kapitel mit Gregors Wutausbruch am Telefon las bzw. schrie. Nicht mal den Kopf hat er gehoben, sondern einfach weitergechillt. Ein sympathischer Kater, der völlig ungerechtfertigterweise den Namen Max Rambo trägt.

(Jetzt hab' ich also auch endlich ein Katzenfoto in meinem Blog *ggg*)

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Gunnar