In meiner Jugend, also in den
Siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, waren Kurzgeschichten „in“. In der
Science Fiction, die ich damals viel gelesen habe, sowieso, aber auch im
Mainstream, dort gern ein bisschen surrealistisch. Manche Kurzgeschichtenbände
wurden sogar Bestseller, z.B. Roald Dahls „Küsschen, Küsschen“. Und Romane
hatten vielleicht zweihundert Seiten. Vierhundert Seiten galten bereits als
extrem umfangreich.
Zu meinem großen Bedauern ist die
Zeit der Kurzgeschichte vorbei. Es gibt natürlich Anthologien, die sich über
die jeweiligen Themen verkaufen (und denen man häufig genug anmerkt, dass die
Geschichten speziell für diese Anthologie „heruntergerissen“ wurden), aber kaum
noch Bücher mit Kurzgeschichten eines einzigen Autors oder einer einzigen
Autorin, und bestsellerverdächtig sind sie schon gar nicht. Dafür sind Romane
mit tausend Seiten nichts Ungewöhnliches mehr.
Klammer auf: In der Rock- und
Popmusik ist es umgekehrt, oder? In den Siebzigern waren Musikstücke von
zwanzig Minuten Länge keine Seltenheit, und selbst kommerzielle Titel im Radio
liefen fünf, sechs Minuten und wurden zumindest hin und wieder ausgespielt, wie
z. B. Mr. Blue Sky von ELO (5:04,
1977) oder With a little luck von den
Wings (5:44, 1978; immer noch ein tolles Lied, übrigens). Während heutzutage
alles genormt und kurz sein muss. Klammer zu.
Was mich daran irritiert, ist,
dass es eigentlich dem Zeitgeist widerspricht. Die Aufmerksamkeitsspanne ist
gesunken, Videoclipmentalität der Normalfall – da müsste man doch annehmen,
dass gerade jetzt die Zeit für Kurzgeschichten und Romane mit geringem Umfang
angebrochen ist. Wie ist dieser Widerspruch zu erklären? Hat irgendjemand eine
Idee?
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Gunnar