Sind tiefsinnige Gespräche mit
einem geliebten Menschen kostbarer als Augenblicke, in denen man gemeinsam
lacht? Ist das Hirn wertvoller als das Herz?
Auf diesem Niveau bewegt sich die
sinnlose Aufspaltung von Literatur in Kunst und Schund, wertvoll und trivial,
kurz: E und U. Auf der einen Seite finden wir den literarischen Adel, der
blasiert über die Bedeutung des Wortes „und“ im Werk eines feuilletongepuschten
Schriftstellers diskutiert. Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die
schablonenhaft gefertigte Massenware damit rechtfertigen, dass ein nach
statistischen Durchschnittswerten definiertes Zielpublikums es so wolle, und
dabei übersehen, dass der kleinste gemeinsame Nenner eben vor allem dies ist:
klein.
Wer mit der Überlegenheit der
eigenen literarischen Vorlieben argumentiert, erstickt einen fruchtbaren
Meinungsaustausch schon im Keim. Notwendige Diskussionen über neu erschienene
Werke, über Autoren, ja, über ganze Genres werden nicht zugelassen, indem man
diese mit Etiketten versieht („Fluchtliteratur“) und abhakt. Eine Kritik, die
sich lediglich an den eigenen Scheuklappen orientiert, nützt jedoch weder dem
Autor etwas (es lässt sich nichts daraus lernen) noch dem Publikum (keine
konstruktive Hilfestellung bei der Buchauswahl).
Letzten Endes erweist sich die
Unterscheidung zwischen ernsthaft und unterhaltend ohnehin als Schimäre. Wenn
eine Geschichte uns etwas über das Leben erzählt, ist sie automatisch sowohl
das eine wie das andere, weil sie uns fesselt und berührt, vielleicht gar eine
Einsicht vermittelt. Um es mit Bill Watterson zu sagen, dem Schöpfer von Calvin und Hobbes: „Die Bedeutung jeder
Kunst liegt in ihrer Fähigkeit, Wahrheiten auszusprechen – unsere Welt
offenzulegen und uns dabei zu helfen, sie zu verstehen.“
Dies ist die Tradition der
Geschichtenerzähler, der Menschen, die einst am Lagerfeuer Märchen und Mythen
darboten. Die Funktion dieser Erzähler war, das wird gern vergessen, immer eine
doppelte: auf unterhaltsame Weise die Nacht herumzubringen, zugleich aber die
Welt zu erklären: Woher kommen wir? Was sind unsere Wurzeln? Wohin gehen wir?
Worin liegt der Sinn unseres Daseins? Wie ist unsere Welt beschaffen? Was macht
den Menschen aus?
Kunst ist nichts anderes als eine
Form von Kommunikation. Gleichgültig, wie kommerziell oder elitär jemand
ausgerichtet ist, der Drang, künstlerisch tätig zu sein, lässt sich beschreiben
als Ruf nach Gehör für die eigene Wahrheit und den Wunsch auf Antwort, auf
Begegnung, auf Dialog mit der Welt. Aus diesem Grund ist auch die leidige
Diskussion, ob man das Publikum beim Schaffensprozess ignorieren soll oder im
Gegenteil auf es hin schreiben, Unsinn. Entscheidend ist die Ernsthaftigkeit
des Autors beim Schreiben, seine Aufrichtigkeit. Je ehrlicher er seine eigene
Wahrheit artikuliert, desto wahrscheinlicher, dass ein Publikum etwas damit
anfangen kann, weil es sich darin wiedererkennt, weil es seine eigenen Gefühle,
Gedanken, Erfahrungen beschrieben und ausgelotet sieht. Das Allgemeingültige
auf eine persönliche Weise zu erzählen, darum geht es.
Aus diesem Grund ist es für einen
Autor wichtig, an seiner individuellen Stimme festzuhalten und sich den
Versuchen zu widersetzen, ihn stromlinienförmig zurechtzubiegen. Gleichzeitig
hat er einen Adressaten, den er nicht ignorieren sollte – ein Monolog erstickt
jeden Dialog. Das eine wie das andere verlangt Ehrlichkeit, Offenheit und die
Bereitschaft zum Meinungsaustausch. Professionelles Schreiben ist, wie alle
Künste, ein wechselseitiger Prozess zwischen Künstler und Publikum, eine
Liebesaffäre: formen und geformt werden.
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Gunnar