Zugegeben: Ich bin kein Freund
von Massenveranstaltungen. Aber ich liebe die Magie von Licht, und die Idee,
zum fünfundzwanzigsten Jahrestag des Mauerfalls eine Lichtinstallation am
ehemaligen Mauerverlauf entlang umzusetzen, fand ich originell. Deshalb bin ich
vergangenes Wochenende mit Fahrrad und Kamera losgezogen, um mich von der Atmosphäre
dieser Inszenierung einfangen zu lassen.
In Kreuzberg, am Bethaniendamm,
fing ich an. Zu meiner Überraschung war die Abfolge der Lichterkugeln dichter
als erwartet. Ich war davon ausgegangen, vielleicht alle fünf Meter eine solche
vorzufinden, aber nein: Sie standen dicht an dicht. Was für ein Aufwand! Aber
auch: Was für eine Wirkung!
Schon jetzt, gegen 18:00 Uhr,
waren zahlreiche Menschen unterwegs, die gleich mir von ihrer Neugier
herausgelockt wurden. Ich folgte der Lichterkette Richtung Osten über die
Schillingbrücke zum ersten Höhepunkt, dem Verlauf an der East-Side-Gallery.
Mein Lieblingsbild, der Trabbi, der durch die Mauer bricht, war immer noch da,
wenn auch von Kulturbanausen beschmiert.
Weiter zur Oberbaumbrücke, die
durch die Verbindung von Licht, Brücke und Wasser zu einem weiteren Höhepunkt
wurde.
Bei der Gelegenheit hier noch ein
Foto von der Oberbaumbrücke kurz nach dem Mauerfall. Ich sitze auf einem der
Türme, die damals baufällig und nur noch halb erhalten waren. (Und ich möchte
keine Kommentare darüber hören, wie jung ich auf dem Foto aussehe)
Dass dort das Ende der
Installation erreicht war, wusste ich zu dem Zeitpunkt nicht, deshalb suchte
ich verzweifelt nach einer Fortsetzung gen Osten. Es gibt ein paar schöne Ecken
im Grenzverlauf zwischen Neukölln und Treptow, da hätte ich mir gern die
Lichter angesehen. Aber weit und breit nichts.
Unverrichteter Dinge fuhr ich
wieder zurück und beschloss, meine Fahrt in die andere Richtung bis zum
Checkpoint Charlie fortzusetzen. Nach dem Bethaniendamm kam ein weiterer
Glanzpunkt: das Engelbecken und die Parkanlage am Leuschnerdamm. Ein Geheimtipp
für Schaulustige, zumal sich hier deutlich weniger Menschen drängelten als an
den bekannten historischen Stätten.
Es folgten einige verwinkelte
Ecken, an die ich mich gut erinnere, weil ich damals, 1987, als ich nach Berlin
kam, einige Fotos von diesem Teil der Mauer gemacht hatte, wegen der
unmittelbaren Nähe zu Wohnhäusern und der beklemmenden und gleichzeitig alltäglich-normalen
Atmosphäre.
Der Checkpoint Charlie war
seltsamerweise weniger überlaufen, als ich annahm. Allerdings auch weniger
interessant. Daher beendete ich nach drei Stunden meine erste Exkursion. Und
fand zu Hause übers Internet heraus, dass die Installation nicht die komplette
Mauer nachzeichnete, sondern „nur“ fünfzehn Kilometer davon, zwischen Oberbaumbrücke
und Bornholmer Straße.
Daher entschied ich mich am
Samstag, mir auch den Rest des Verlaufs anzugucken. Ich begann also beim
Checkpoint Charlie und arbeitete mich von dort nach Norden vor. Der Potsdamer
Platz ist natürlich immer sehenswert, aber was für ein Gewühl! Busse, die kaum
vorankamen, die Radwege mit Fußgängern überfüllt. Und natürlich wurde es immer
schlimmer, je näher man dem Brandenburger Tor kam. Dort ging es dann im
Schneckentempo voran, eingekeilt zwischen anderen Neugierigen. Aber die
Stimmung war gut, keiner maulte.
Das Brandenburger Tor selbst war
teilweise verhängt – enttäuschend. Dafür entschädigte das Regierungsviertel
allemal. Wie sich die Lichter diesseits und jenseits des Spreebogens hin- und
herwanden, über Brücken und zwischen den Gebäuden hindurch, das war sehenswert.
Danach wurde es eher
unspektakulär. Hier und da noch ein Stück Mauer, die Gedenkstätte an der
Bernauer Straße und schließlich durch den Mauerpark bis zum nördlichen
Endpunkt, der Brücke an der Bornholmer Straße. Von hier aus machte ich mich
dann nach erneuten drei Stunden Sightseeing auf den Nachhauseweg, im wahrsten
Sinne des Wortes „ab durch die Mitte“.
Am Sonntag stand um 19:00 Uhr die
Ballonaktion auf dem Programm: die Lichterkugeln (ohne Lichter) sollten gen
Himmel aufsteigen. Ursprünglich hatte ich nicht vorgehabt, mir diese Aktion
anzusehen, aber weil ich von der Installation so angetan war, beschloss ich
dann doch, auch an diesem Abschluss teilzunehmen.
Nur wo? Die Qual der Wahl ... Von
Anfang an stand für mich fest, dass ich mich nicht ins Gewühl am Brandenburger
Tor oder zum Checkpoint Charlie begeben würde. Das Engelbecken war eine
verführerische Option, zumal ich damit rechnete, dort weniger Menschen
vorzufinden. Auch die East-Side-Gallery zog ich in Betracht. Am Ende entschied
ich mich aber doch fürs Regierungsviertel, weil die sich hin- und herwindende
Reihe der Lichter einfach spektakuläre Fotos erlaubten.
Natürlich war der Andrang groß.
Ich stellte mein Fahrrad ab und stürzte mich zu Fuß in die Menge. Zentimeter um
Zentimeter schob ich mich zum Ufer am Marie-Elisabeth-Lüders-Haus durch, wo ich
hoffte, einen einigermaßen guten Platz zum Fotografieren zu erwischen. Just als
ich das Ende der Brücke und den Beginn des Ufers erreichte, wurde direkt vor
meiner Nase eine Polizeikette geschlossen: Kein Durchgang mehr.
Ich wich zurück und arbeitete
mich Richtung Hauptbahnhof vor, aber überall war abgesperrt und auf die Brücken
wurde niemand mehr gelassen, auch nicht auf den Steg zwischen dem Marie-Elisabeth-Lüders-Haus
und dem Paul-Löbe-Haus. Selbst im Gang innerhalb der Gebäude, der über die
Spree führte, drückten sich die Politiker auf ihren Logenplätzen die Nase
platt. Und dann kamen auch noch Schiffe mit Schaulustigen an ...
Als ich schon nahe daran war
aufzugeben, stellte ich plötzlich fest, dass man von der Nordseite durchaus
noch Zugang zum Ufer bekam, ja, ich ergatterte sogar einen Platz auf der
Treppe, sodass ich eine einigermaßen gute Sicht hatte.
Um es kurz zu machen: Der
Aufstieg der Ballons war nett, aber nicht überwältigend, weil immer nur eine
Handvoll zugleich freigelassen wurde. Wären alle gleichzeitig aufgestiegen oder
zumindest einer nach dem anderen in einer fließenden Bewegung, wie es wohl an
anderen Stellen der Lichterkette der Fall war, wäre es aufregender gewesen.
Trotzdem: Ein gelungenes
Wochenende, das mich ein bisschen damit versöhnte, dass ich in diesen Tagen
nicht, wie ursprünglich geplant, in Schottland sein konnte.
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Gunnar