Sonntag, 9. November 2014

Pilze, Sklavenkauf und das Fräulein vom Amt


Für meine Krimis aus der Weimarer Republik recherchiere ich auf die vielfältigste Weise. Zum einen nutze ich natürlich das Internet; hier habe ich zum Beispiel so eine wundervolle Hilfe gefunden wie die Dissertation über Kosmetika in der Weimarer Republik, die mir für das Kapitel im Friseursalon in Band 3 („Inflation!“) höchst willkommen war.

Wichtiger noch sind natürlich Bibliotheken. Wer inhaltlich in die Tiefe gehen will, insbesondere bei historischen Themen, kommt nach wie vor um Bücher nicht herum. Das Internet ist kein Ersatz, weil es im Großen und Ganzen zwar unglaublich aktuell und vielseitig, aber auch oberflächlich ist. Abgesehen davon stöbere ich lieber stundenlang in Büchern, die mich selbst dann inspirieren, wenn sie sich für meine Frage als bedeutungslos herausstellen, während es mich ermüdet, mich im Netz durch Tausende von Blabla-Seiten zu quälen. Zumal es Bücher zu allen, aber auch wirklich allen Themen gibt. Für eine (noch unveröffentlichte) Fantasytrilogie habe ich allen Ernstes mal ein Buch gefunden, dass einem verrät, worauf man beim Sklavenkauf achten muss.


Dritte und vielleicht wichtigste Quelle für meine Zwanziger-Jahre-Krimis sind die Tageszeitungen jener Zeit, die mir eine Fülle an Informationen vermitteln (Darüber hatte ich ja an dieserStelle schon mal berichtet). Zum einen erfahre ich präzise Details (Wie viel hat das Brot am Montag gekostet? Wie war das Wetter während der Pfingstkundgebungen?), zum anderen weiß ich, was die Menschen damals beschäftigt hat, worüber sie sich aufgeregt und gestritten haben. Außerdem bekomme ich interessante Alltagsgeschichten geliefert.

Während ich für meinen dritten Krimi in den Tageszeitungen des Jahres 1923 recherchierte, habe ich zum Beispiel erfahren, dass es damals eine Serie von Todesfällen infolge von Pilzvergiftungen gab. So etwas bringt nicht nur Zeitkolorit in den Roman, es erzählt gleichzeitig etwas über die Lebensumstände, weil die Menschen während der Inflationszeit derart gehungert haben, dass offenbar auch diejenigen Pilze sammeln gingen, die giftige und ungiftige nicht voneinander unterscheiden konnten.

In den Zeitungen von 1926, die ich augenblicklich für meinen fünften Krimi durchforste, sorgte die Nachricht für Aufregung, dass während einer Übung des Roten Kreuzes ein Junge im Wannsee ertrank. Auch diese Tragödie ist nicht bloße Staffage, denn sie erzählt zugleich etwas über die immer noch vorhandene Obrigkeitshörigkeit jener Zeit, weil die Verantwortlichen leichtfertige Entscheidungen trafen, um den adligen Zuschauern zu imponieren.

Viertes Standbein meiner Recherchen ist die gezielte Suche nach Informationen zum jeweiligen Thema des Buches in Archiven, Museen und dergleichen. Für Band 4 („Zeppelin 126“) bin ich natürlich zum Zeppelinarchiv nach Friedrichshafen gefahren, für den Band, an dem ich augenblicklich arbeite, recherchiere ich unter anderem im Deutschen Theater, Berlin.

Und schließlich sind natürlich Interviews mit Fachleuten unersetzlich. Als ich vor vielen Jahren mit meiner Serie anfing, habe ich Zeitzeugen befragt, Menschen, die ihre Jugend in der Weimarer Republik verbrachten. Außerdem suche ich auch hier gezielt Gesprächspartner für das jeweilige Thema: Gerichtsmediziner, Sprengstoffexperten, Zahnärzte, Professoren, Meteorologen oder auch Mitarbeiter des Museums für Telekommunikation, um etwas über die „Fräuleins vom Amt“ zu erfahren.

Bei meinem Besuch im Deutschen Theater in dieser Woche durfte ich auf den Rollenboden, das ist die Zwischendecke unterm Dach, von wo aus man über den Schnürboden die Züge zum Anheben von Teilen des Bühnenbildes bedienen kann. Heute ist der Rollenboden aus Metall, früher bestand er aus Holz und hat geknarrt und geknarzt. Wieder ein Detail mehr für meinen Roman.


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Gunnar