Sonntag, 22. Februar 2015

Hommage an einige Klassiker der Science Fiction


Seit Jahrzehnten habe ich keinen Science-Fiction-Roman mehr gelesen, dabei war das früher, in meiner Jugend, die angesagte Literatur für mich. Wobei, wenn ich genauer drüber nachdenke, haben vor allem die Kurzgeschichten des Genres mehr noch als die Romane einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen.

Theodore Sturgeon, von dem ich neulich schon berichtete, hatte den größten Einfluss auf mich, aber es gab andere, die mich ebenfalls faszinierten. Und da ich gerade dabei bin, Sturgeon für mich wiederzuentdecken, indem ich mich durch die englischsprachige Originalausgabe seiner complete stories lese, kam ich auf den Gedanken, auch meine anderen Lieblinge unter den Science-Fiction-Autoren einer neuerlichen Prüfung zu unterziehen, um herauszufinden, wie sie mir mit fünfunddreißig Jahren Abstand gefallen.

Da wäre zum einen Fredric Brown, Meister der Kürzestgeschichten, die oft nur wenige Zeilen lang sind und häufig mit einem Überraschungseffekt enden. Als Beispiel sei seine allerallerkürzeste Horrorgeschichte zitiert: „Der letzte Mann auf Erden saß allein in einem Zimmer. Da klopfte es an der Tür ...“ (Wobei diese beiden Zeilen nur der Auftakt zu einer längeren Geschichte sind). Dass man nicht viele Worte braucht, um Tiefgründiges zu schreiben, beweisen seine zu Herzen gehenden Stories Nightmare in gray und Nightmare in blue oder auch Runaround. Dann gibt es so herrlich schräge Geschichten wie The angelic angelworm, deren Inhalt man kaum adäquat wiedergeben kann. Seinen Roman The mind thing und seinen Klassiker Martians, go home – Letzterer die amüsante, um nicht zu sagen absurde Variante der damals so beliebten Angriff-aus-dem-All-Romane – kann man auch heute noch mit Vergnügen lesen.

Robert Sheckley dagegen, der ebenfalls vor allem Geschichten mit witzigen Pointen schrieb, hat sich für mich doch arg abgenutzt. Wenn man eine Handvoll Erzählungen von ihm kennt, weiß man, worauf die nächste hinausläuft. Er hat zwar ein paar wunderbar böse Zukunftsvisionen entworfen, etwa jene, die als Das zehnte Opfer oder Das Millionenspiel verfilmt wurden, und erinnert damit an die Dystopien von Philip K. Dick, aber insgesamt kann ich heute nur noch wenig mit ihm anfangen. Auch wenn ich immer noch der Einschätzung zustimmen würde, die mal ein Kritiker (ich weiß leider nicht mehr, wer es war) über ihn geschrieben hat: „Sheckley ist wie Voltaire mit Soda.“

Mit Ray Bradbury (The Martian chronicles, Fahrenheit 451) ging es mir früher schon so: Ich fand seine Geschichten immer gut erzählt, aber auch betulich. Als würde man etwas durch eine Milchglasscheibe betrachten, statt es selbst zu erleben. Deswegen konnte er mich selten berühren. Dennoch, die eine oder andere Geschichten von ihm mag ich nach wie vor, insbesondere die wehmütige In a season of calm weather.

Bei Alfred Bester liegt der Fall wieder anders. Als Jugendlicher habe ich seine Romane sehr geschätzt, heute finde ich ihn zu manieriert mit seinen avantgardistischen typographischen Elementen. Das gilt sowieso für Golem100 und The computer connection, aber auch für seinen Klassiker The demolished man. Einzig The stars my destination kann mich auch heute noch überzeugen.

Orson Scott Card habe ich erst später kennengelernt, als junger Erwachsener, und bei ihm gibt es nach wie vor einige Romane, die ich schätze. Ender’s game gehört auf jeden Fall dazu (vergiss die unsägliche Verfilmung oder, wenn du sie noch nicht gesehen hast: Mach dir selbst eine Freude und lies lieber das Buch), auch Seventh son, der erste Roman einer Serie über die Gründerzeit eines mythischen Amerika, ebenso der verschrobene Roman Treason.

Das Schönste habe ich mir für den Schluss aufgehoben. Eric Frank Russell, im Gegensatz zu seinen vorgenannten Kollegen kein Amerikaner, sondern Engländer aus Surrey, wurde in eine militärische Familie geboren, was erklärt, warum es ihm wie keinem anderen gelingt, seine Aversion gegen Militarismus, Bürokratie und Autoritätsgläubigkeit in die sarkastischsten Formen zu gießen. Zwei seiner Novellen oder Kurzromane (die er später zu vollen Romanen ausgearbeitet hat, ich ziehe allerdings die ursprünglichen Fassungen vor), nämlich Plus X und And then there were none, gehören immer noch zum Besten, was die Science Fiction zu bieten hat. Auch einige Kurzgeschichten (Allamagoosa, Study in still life) schätze ich sehr. Und I am nothing ist und bleibt die ergreifendste Geschichte innerhalb der SF (sorry, Theodore!). Sie treibt mir immer noch die Tränen in die Augen.

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Gunnar