Seit Jahrzehnten habe ich keinen
Science-Fiction-Roman mehr gelesen, dabei war das früher, in meiner Jugend, die
angesagte Literatur für mich. Wobei, wenn ich genauer drüber nachdenke, haben vor
allem die Kurzgeschichten des Genres mehr noch als die Romane einen bleibenden
Eindruck bei mir hinterlassen.
Theodore Sturgeon, von dem ich
neulich schon berichtete,
hatte den größten Einfluss auf mich, aber es gab andere, die mich ebenfalls faszinierten.
Und da ich gerade dabei bin, Sturgeon für mich wiederzuentdecken, indem ich
mich durch die englischsprachige Originalausgabe seiner complete stories lese, kam ich auf den Gedanken, auch meine anderen
Lieblinge unter den Science-Fiction-Autoren einer neuerlichen Prüfung zu unterziehen,
um herauszufinden, wie sie mir mit fünfunddreißig Jahren Abstand gefallen.
Da wäre zum einen Fredric Brown,
Meister der Kürzestgeschichten, die oft nur wenige Zeilen lang sind und häufig
mit einem Überraschungseffekt enden. Als Beispiel sei seine allerallerkürzeste
Horrorgeschichte zitiert: „Der letzte Mann auf Erden saß allein in einem Zimmer.
Da klopfte es an der Tür ...“ (Wobei diese beiden Zeilen nur der Auftakt zu
einer längeren Geschichte sind). Dass man nicht viele Worte braucht, um
Tiefgründiges zu schreiben, beweisen seine zu Herzen gehenden Stories Nightmare in gray und Nightmare in blue oder auch Runaround. Dann gibt es so herrlich
schräge Geschichten wie The angelic
angelworm, deren Inhalt man kaum adäquat wiedergeben kann. Seinen Roman The mind thing und seinen Klassiker Martians, go home – Letzterer die
amüsante, um nicht zu sagen absurde Variante der damals so beliebten
Angriff-aus-dem-All-Romane – kann man auch heute noch mit Vergnügen lesen.
Robert Sheckley dagegen, der
ebenfalls vor allem Geschichten mit witzigen Pointen schrieb, hat sich für mich
doch arg abgenutzt. Wenn man eine Handvoll Erzählungen von ihm kennt, weiß man,
worauf die nächste hinausläuft. Er hat zwar ein paar wunderbar böse
Zukunftsvisionen entworfen, etwa jene, die als Das zehnte Opfer oder Das
Millionenspiel verfilmt wurden, und erinnert damit an die Dystopien von
Philip K. Dick, aber insgesamt kann ich heute nur noch wenig mit ihm anfangen.
Auch wenn ich immer noch der Einschätzung zustimmen würde, die mal ein Kritiker
(ich weiß leider nicht mehr, wer es war) über ihn geschrieben hat: „Sheckley
ist wie Voltaire mit Soda.“
Mit Ray Bradbury (The Martian chronicles, Fahrenheit 451) ging es mir früher schon
so: Ich fand seine Geschichten immer gut erzählt, aber auch betulich. Als würde
man etwas durch eine Milchglasscheibe betrachten, statt es selbst zu erleben.
Deswegen konnte er mich selten berühren. Dennoch, die eine oder andere
Geschichten von ihm mag ich nach wie vor, insbesondere die wehmütige In a season of calm weather.
Bei Alfred Bester liegt der Fall
wieder anders. Als Jugendlicher habe ich seine Romane sehr geschätzt, heute
finde ich ihn zu manieriert mit seinen avantgardistischen typographischen
Elementen. Das gilt sowieso für Golem100
und The computer connection, aber
auch für seinen Klassiker The demolished
man. Einzig The stars my destination
kann mich auch heute noch überzeugen.
Orson Scott Card habe ich erst
später kennengelernt, als junger Erwachsener, und bei ihm gibt es nach wie vor
einige Romane, die ich schätze. Ender’s game
gehört auf jeden Fall dazu (vergiss die unsägliche Verfilmung oder, wenn du sie
noch nicht gesehen hast: Mach dir selbst eine Freude und lies lieber das Buch),
auch Seventh son, der erste Roman einer
Serie über die Gründerzeit eines mythischen Amerika, ebenso der verschrobene Roman
Treason.
Das Schönste habe ich mir für den
Schluss aufgehoben. Eric Frank Russell, im Gegensatz zu seinen vorgenannten
Kollegen kein Amerikaner, sondern Engländer aus Surrey, wurde in eine
militärische Familie geboren, was erklärt, warum es ihm wie keinem anderen gelingt,
seine Aversion gegen Militarismus, Bürokratie und Autoritätsgläubigkeit in die
sarkastischsten Formen zu gießen. Zwei seiner Novellen oder Kurzromane (die er
später zu vollen Romanen ausgearbeitet hat, ich ziehe allerdings die
ursprünglichen Fassungen vor), nämlich Plus
X und And then there were none,
gehören immer noch zum Besten, was die Science Fiction zu bieten hat. Auch
einige Kurzgeschichten (Allamagoosa, Study in still life) schätze ich sehr.
Und I am nothing ist und bleibt die
ergreifendste Geschichte innerhalb der SF (sorry, Theodore!). Sie treibt mir
immer noch die Tränen in die Augen.
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Gunnar