Sonntag, 12. Juli 2015

Calling Occupants of Interplanetary Craft - Die Musik von Klaatu


Verbergen sich die Beatles hinter Klaatu?, fragten sich 1977 Musikfans rund um den Erdball.

Das Gerücht hatte der Musikjournalist Steve Smith losgetreten, und viele Rundfunkstationen und Printmedien sprangen darauf an und fütterten die Musikwelt mit „Hinweisen“. Dass das erste Album der Band in den USA von Capitol Records veröffentlicht wurde, dem amerikanischen Label der Beatles, war ja noch ein nachvollziehbarer Grund für Spekulationen. Aber auch sonst schien jedes noch so obskure Detail ein Beweis zu sein, beispielsweise, dass es in einem der Lieder heißt: „... he’s the only man who’s ever been to hell and come back alive“, was Fans als Anspielung auf die damals kursierende Verschwörungstheorie auffassten, Paul McCartney sei in Wahrheit bei einem Autounfall gestorben und durch ein Double ersetzt worden.

Die Tatsache, dass auf dem 1976 erschienenen Album Klaatu (in Kanada unter dem Titel 3:47 EST veröffentlicht) keinerlei biografische Informationen zur Urheberschaft der Musik zu finden waren und die Band keine Interviews gab, tat ein Übriges, um die Spekulationen anzuheizen. Und Capitol Records veröffentlichte vieldeutige Statements, um soviel aus den Gerüchten herauszuholen wie möglich.

Der Hype traf die Gruppe unvorbereitet. Eigentlich war ihr Schweigen und die Weigerung, biografische Details mitzuteilen, nur ein Akt der Rebellion gegen das etablierte Musikbusiness und speziell den Glamrock gewesen. „Wir wollten, dass die Musik für sich selbst spricht“, sagte eines der Mitglieder später. „Außerdem waren wir drei Jungs aus Toronto, die niemand kannte.“

Tatsächlich fand ich das Gerücht schon damals absurd. Die Musik klang überhaupt nicht nach den Beatles, wenngleich manche Einflüsse nicht von der Hand zu weisen sind. Aber es war einfach verdammt gute Musik, inhaltlich sehr spacig, wie es damals gerade Mode wurde.


In Wahrheit handelte es sich bei Klaatu um eine 1973 von John Woloschuk und Dee Long gegründete Rockband aus Kanada (benannt nach dem Außerirdischen aus dem Film Der Tag, an dem die Erde stillstand). Später kam noch der Drummer Terry Draper hinzu.

Das Album Klaatu jedenfalls wurde durch die Gerüchte erfolgreich. Und das Stück Calling occupants of interplanetary craft sogar kurz darauf von den Carpenters gecovert, zu denen es eigentlich überhaupt nicht passte (obwohl ihre Version durchaus hörenswert ist).

Das Konzeptalbum Hope (1977), das dem ersten folgte und auf dem übrigens auch das London Symphony Orchestra mitwirkt, ist für mich eines der besten der Progrockszene und ganz sicher das mit Abstand beste der Gruppe. Finde übrigens nicht nur ich, sondern da war sich die Musikwelt damals einig. Es hat u. a. den Canadian music critics award als bestes Album 1977 gewonnen. Das instrumentale Prelude beispielsweise haut mich auch heute noch weg.

Woloschuk, der sich wesentlich für Hope verantwortlich zeigte (sechs der acht Stücke stammen von ihm), war nach der Produktion erschöpft und gab Long daher freie Hand für das dritte Album. Sir Army Suit, 1978 veröffentlicht, war leider kein großer Erfolg beschieden. Die Band hatte sich vom Progrock Richtung Mainstream orientiert, wobei mir die Stücke auf der Platte dennoch gut gefallen. Inzwischen war die Identität der Gruppe jedoch bekannt geworden, und viele der Radiostationen, die während der Sind-sie-die-Beatles-Aufregung ihre Stücke gespielt hatten, fühlten sich hintergangen und boykottierten Klaatu.

Aufgrund der schlechten Verkaufszahlen nahm die Plattenfirma massiv Einfluss auf die Band, sodass die Aufnahmen für Endangered Species (1980) zur Qual wurden. Die Firma hatte zusätzliche Studiomusiker engagiert, und Terry Draper fühlte sich wie ein Zuschauer, der auf seiner eigenen Platte nicht mehr spielen durfte. Das Ergebnis fiel entsprechend zwiespältig aus.

Das letzte Studioalbum, Magentalane (1981), wurde denn auch nur in Kanada veröffentlicht. Ich weiß noch, wie ich damals das Gerücht hörte, dass es diese Platte gäbe, und schier verzweifelte, weil ich in Zeiten vor dem Internet nichts darüber in Erfahrung bringen konnte und die Mitarbeiter unseres örtlichen Plattenladens natürlich von nichts eine Ahnung hatten. Als ich die Scheibe dann etwa fünfundzwanzig Jahre später hören konnte, war nach all den aufgebauten Erwartungen die Enttäuschung groß.

Nach diesem fünften Album löste sich die Gruppe auf. Terry Draper arbeitet lustigerweise als Dachdecker, die anderen beiden sind weiterhin in der Musikindustrie beschäftigt.

Eine Kuriosität am Rande: 1988 komponierte die Gruppe eigens einen Titel für die Tatort-Folge Tödlicher Treff.


Anspieltipps:
Around the universe in 80 days



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Gunnar