Sonntag, 16. August 2015

Wir müssen mal über Geld reden


Ich bin selbstständiger Schriftsteller, das ist mein Beruf. Nicht Bankangestellter, der nebenbei schreibt. Auch nicht Hartz-IV-Empfänger, der in seiner Freizeit einem Hobby nachgeht. Ich verdiene meinen Lebensunterhalt damit. Ja, ich habe unendlich viel Spaß dabei, mein Beruf ist Berufung und Erfüllung für mich. Aber ich muss trotzdem meine Stromrechnung bezahlen, und im Supermarkt nehmen sie noch immer keine Kieselsteine an der Kasse.

Es ärgert mich zunehmend, dass ich als Autor der Erste bin, der arbeitet, und der Letzte, der verdient. Es dauert bis zu zehn Monaten, bis das Geld bei mir eintrifft. Und dabei habe ich noch nicht mal die Zeit eingerechnet, die vergeht, bis ich einen Verlag gefunden habe oder ein Theater sich entscheidet, ein Stück von mir zu spielen, ich rede lediglich von dem Augenblick an, wo bereits alles eingetütet ist.

Wenn also jemand im Dezember ein Buch von mir kauft oder die Eintrittskarte zur Inszenierung eines meiner Theaterstücke, dann erhält der Verlag die Tantiemen davon vermutlich im Januar des folgenden Jahres. Honorarabrechnung und Zahlung erfolgen zweimal jährlich, Stichtag ist in diesem Fall der 30. Juni. Der Verlag hat drei Monate Zeit für seine Abrechnung, die wird in der Regel auch ausgenutzt (ein paar Ausnahmen gibt es – an dieser Stelle Dank an diejenigen!). Das heißt, ich bekomme das Geld vom Dezember gegen Ende September des folgenden Jahres ausgezahlt. Wenn es korrekt zugeht. Tut es aber nicht immer.

Was ich ganz besonders liebe, ist, wenn Buchhalterinnen, die jeden Monatsersten ihr Gehalt auf dem Konto vorfinden, egal wie schlecht sie arbeiten, mir erklären, ach, sie hätten ja soooooviel zu tun, und sie würden sicher demnächst mal dazu kommen, mir das Geld zu überweisen. Im Grunde sagen sie damit nichts anderes als: Was kümmert’s mich, wovon du in der Zwischenzeit lebst, kannst ja Dreck fressen.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch kurz auf die Absurdität des Begriffs „Vorschuss“ in unserer Branche aufmerksam machen. Wenn ich meinen „Vorschuss“ bekomme, habe ich nämlich das Buch bereits geschrieben, meine Arbeit mithin geleistet. Das ist, als würde sich ein Bäcker bei einem Bäckerladen bewerben, und der Meister dort würde antworten: „Ja, ich bin gern bereit, es mal mit dir zu probieren, arbeite mal ein Jahr umsonst für mich, anschließend werde ich dir großzügig, sagen wir, die Hälfte von dem, was dir in der Zwischenzeit entgangen ist, als Vorschuss auszahlen.“

Auch schön: Veranstalter, die der Meinung sind, Autoren sollten umsonst lesen. „Aber das ist doch Werbung für Sie!“ Wann sind Sie das letzte Mal in einen Bäckerladen gegangen, haben ein paar Brötchen mitgenommen und gemeint, sie müssten nicht zahlen, weil es doch schließlich Werbung für den Bäcker sei? Oder haben einen Klempner angerufen und gefragt, ob er Ihnen als PR unentgeltlich den Wasserhahn repariert? Neulich hat mir ernsthaft jemand ganz entrüstet gesagt: „Ich dachte, das macht Ihnen Spaß!“

Dann gibt es da noch Theater, die meine Stücke heimlich aufführen in der Hoffnung, sich vor den Tantiemen drücken zu können. Und bei Benefiz-Veranstaltungen ist sowieso klar: Der Autor liest umsonst, die Band musiziert umsonst, die Theatergruppe spielt umsonst, aber die Cateringfrau und der Toningenieur müssen angemessen bezahlt werden.

Schließlich haben wir da noch das kriminelle Pack, das E-Books knackt und kostenlos ins Netz stellt, weil es die Legende von Robin Hood nicht begriffen hat. Liebe Berufsverbrecher, zu eurer Information: Der nahm von den Reichen und nicht von denen, die ohnehin in der Verwertungskette Buch am wenigsten verdienen.

Habe ich mich wieder aufgeregt? Ja, habe ich. Weil ich es bis oben hin satt habe, wie ein Bittsteller meinem Honorar hinterherzulaufen. Und mir dabei noch Arroganz und Dummheit bieten lassen zu müssen. Und weil ich weiß, dass das Verhalten, das Autoren, Musikern, Malern in diesem Land entgegengebracht wird, Ausdruck mangelnder Wertschätzung und mangelnder Achtung ist.

Eigentlich ging es in diesem Artikel gar nicht um Geld. Eigentlich ging es um Würde.

1 Kommentar:

  1. In der Tat geht es um Würde. Wer im geschäftlichen Bereich eine Leistung erbringt hat Anspruch auf die vereinbarte Bezahlung. Alles andere ist Raub oder Schnorren.
    Es stellt uns allen ein schlechtes Zeugnis aus, wenn wir nur unter Zwang für empfangene Leistungen auch bereit sind zu zahlen.
    Die Folge der fehlenden Zahlungsbereitschaft der Kundschaft ist, dass die Anbieter die Zahlung verschleiern, wie bei den Versicherungen. Oder dass man den Kunden selbst zum Produkt macht, wie bei vielen Internetanbietern üblich, ich nenne mal Google.

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Vielen Dank für deinen Kommentar. Sobald ich ihn geprüft habe, schalte ich ihn frei.

Viele Grüße

Gunnar