Jedes Jahr, pünktlich zum ersten
Schneefall, bricht dort Chaos aus.
Heute Mittag soll ich in Eutin
für Schüler lesen, deshalb heißt es früh aufstehen, um einen entsprechenden Zug
zu bekommen. Aber gestern hat es geschneit. Und die Bahn wird wie immer vom
nahenden Winter überrascht.
Am Hauptbahnhof empfängt mich
eine Anzeigetafel, auf der zu lesen ist, dass jeder zweite Zug Verspätung hat.
Darunter auch meiner. Warum, das erschließt sich mir, als er schließlich
eintrifft. Und steht. Und steht. Und steht. Ehe die Türen endlich aufgehen. Ja
ja, die empfindliche Elektronik ...
Mit jedem Halt wird die
Verspätung größer. Ich verpasse meinen Anschlusszug in Büchen. Muss daher den
Zug eine Stunde später nehmen. Als ich endlich drin sitze, erreicht mich der
Anruf, dass die Lesung aufgrund der Verspätung ausfallen muss. Also Rucksack geschnappt
und raus, ehe der Zug anfährt. Zurück nach Berlin, dann habe ich zumindest den
halben Tag frei ...
Denkste! Der nächste Direktzug
fährt erst dreieinhalb Stunden später. Nun habe ich die Wahl: In einer halben
Stunde über Lüneburg zu fahren, allerdings dreimal umsteigen zu müssen. Bei den
unsicheren Verhältnissen? Nee, dann lieber noch etwas länger warten und dafür über
Hamburg mit nur einmaligem Umsteigen.
Kurz bevor der Zug nach Hamburg
eintrifft, erfahre ich, dass auf dieser Strecke gar nichts mehr geht, weil ein
Stellwerk defekt ist. Inzwischen habe ich bereits über zwei Stunden auf dem
Bahnhof in Büchen verbracht, der sich nicht gerade durch Luxus auszeichnet.
Also doch über Lüneburg, mit der nächstbesten Möglichkeit. Und statt dreimaligem
Umsteigen von dort nach Hamburg.
Das klappt sogar. Doch auch in
Hamburg hat jeder zweite Zug Verspätung. Der Zug nach Berlin laut Anzeigetafel
fünfzehn Minuten. Aus fünfzehn Minuten werden plötzlich fünfundzwanzig. Aus
fünfundzwanzig werden dreißig.
Er kommt. Überfüllt natürlich, da
ich nicht der Einzige bin, der die irrwitzigsten Umwege in Kauf nimmt, um
irgendwie ans Ziel zu gelangen. Er fährt. Sogar bis Berlin. Wo auf sämtlichen
Bahnhöfen die Anzeigetafeln nicht mehr zu funktionieren scheinen.
Neuneinhalb Stunden bin ich in
Zügen und auf Bahnhöfen unterwegs, für nichts und wieder nichts. Weil die
Technik der Bahn versagt. Bei Plusgraden. Nicht auszudenken, wie es hier bei
arktischen Temperaturen aussehen würde.
Da kann man doch für die
Klimaerwärmung nur dankbar sein.
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Gunnar