Sonntag, 22. November 2015

Stipendien, die keine sind


Gelegentlich beteilige ich mich an Literaturwettbewerben oder bewerbe mich für Stipendien, allerdings eher sporadisch. Mittlerweile nur noch in Ausnahmefällen. Weil es nur wenige gibt, die diesen Namen auch verdienen.

Bei den meisten Stipendien wird erwartet, dass sich die Stipendiaten literarisch „auf den Lebenstraum einlassen" oder „mit der Region auseinandersetzen", in dem/der das Stipendium vergeben wird, ein Euphemismus für: „Schreiben Sie uns eine belletristische Werbebroschüre." Oder es heißt gleich, der zu schreibende Roman solle in der entsprechenden Gegend spielen. Es handelt sich dabei also nicht um ein Stipendium, wie irreführenderweise behauptet wird, sondern um eine mehr oder weniger angemessen bezahlte Auftragsarbeit.

Wohlgemerkt: Ich spreche Ausschreibern keineswegs ab, ein Dankeschön von den Stipendiaten zu erhalten. Eine kostenlose Lesung, Interviews, in der Schule über die Arbeit eines Autors zu berichten, das alles geht in Ordnung. Aber schon den Zwang, ein Online-Tagebuch führen zu müssen, empfinde ich als Zumutung, weil es mich in erheblichem Maße von meiner eigentlichen Arbeit abhält. Das hat mit dem Gedanken eines Stipendiums nichts zu tun.

Laut Meyers Konversationslexikon ist ein Stipendium „eine Geldleistung, mit der Studium, Promotion, Habilitation, Auslandsaufenthalte oder bestimmte Forschungsvorhaben finanziert werden." Und die Wikipedia definiert: Ein Stipendium „ist eine finanzielle Unterstützung für Künstler, Sportler, Schüler, Studenten oder Jungwissenschaftler und als solches ein wesentliches Element der Begabtenförderung." Eine Förderung der Stipendiaten also und ihrer eigenen Vorhaben. Von einer Selbstbeweihräucherung derjenigen, die diese Stipendien vergeben, ist da nicht die Rede.

Es handelt sich bei solchen Pseudo-Stipendien in Wahrheit um einen Rückschritt in feudalistische Zeiten, in denen Herrscher als Mäzene auftraten und sich im Gegenzug von ihren so gekauften Künstlern lobhudeln ließen, in Form von Gedichten, Porträtbildern oder Liedern. Das ist eine legitime Angelegenheit, nur bitte sollte sie dann auch genau so beim Namen genannt werden, statt gönnerhaft zu tun, als ginge es diesen Herrschaften um uneigennützige Künstlerförderung. Um die Autoren geht es dabei nämlich am wenigsten.

Ähnlich Literaturwettbewerbe, die sich dadurch finanzieren, dass die Teilnehmer zunächst eine „Gebühr" entrichten müssen. Oder solche, die zwar kostenlos sind und bei denen der Sieger auch einen angemessenen Preis erhält, sich die Autoren jedoch damit einverstanden erklären müssen, dass ihre Wettbewerbsbeiträge unentgeltlich in einer Anthologie abgedruckt werden. Anders ausgedrückt: Die Wettbewerbe kosten die Initiatoren nichts, sie machen möglicherweise sogar noch Gewinn damit. Finanziert durch all die Autoren, die nicht zu den Gewinnern gehören.

Auch schön: Wettbewerbe, bei denen die Gewinner irgendwo in Hintertupfingen bekanntgegeben werden, wo dann die Preisverleihung stattfindet, während ganz selbstverständlich davon ausgegangen wird, dass die Autoren selbst zusehen müssen, wie sie dorthin kommen. Da sind dann die Fahrtkosten oft höher als die Gewinne.

Beinahe wäre ich mal auf einen Theaterwettbewerb hereingefallen, bei dem ein renommiertes (!) Hamburger Theater „Künstlerförderung“ der besonderen Art betrieb. Laut Ausschreibung wollten die Initiatoren Musicalautoren die Möglichkeit bieten, ein noch nicht veröffentlichtes Werk professionell aufzuführen. Erst am Ende von mehreren Seiten Online-Formular erfuhr man, gewissermaßen im Kleingedruckten, dass das Theater erwartet, dass man im Falle der Vorauswahl die Inszenierung selbst finanziert!

Mit anderen Worten: Offenbar litt das Theater unter zu geringer Auslastung, und dies war eine billige und zugleich prestigeträchtige Möglichkeit, ohne eigenes Risiko eine Produktion auf die Beine zu stellen. Ich wüsste zu gern, ob den Promis, die diese „Initiative" unterstützten, diese Klausel bekannt war.

Nein, liebe „Förderer der Künste", so denn doch nicht. Ich lasse mich nicht gern dafür benutzen, dass ihr euch selbst feiert.

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Gunnar