Manches am Schriftstellerdasein
ist Magie, egal wie befremdlich so eine Aussage für skeptische Ohren klingen
mag. Zum Beispiel, wenn eine Figur sich selbstständig macht. Du schmunzelst?
Ich hoffe, nicht aus Unglauben. Denn, so mystisch es sich anhört, es trifft den
Kern genau, weil da etwas am Werk ist, das nicht bewusst gestaltet wurde.
Beispielsweise hatte ich nie vor,
ein Ermittlertrio in meinen Krimis aus der Weimarer Republik zu etablieren; ich
wollte ein Duo, nämlich die Amateurdetektive Hendrik und Diana, weil es mir
wichtig war, auf der privaten Ebene eine Geschichte über den unterschätzten
Wert der Freundschaft zwischen Mann und Frau zu erzählen. Hendriks Bruder
Gregor, der Kommissar, kam lediglich ins Spiel, um begründen zu können, wie
Hendrik und Diana an die jeweiligen Fälle kommen.
Damit hat sich Gregor aber nicht
zufriedengegeben. Schon bald bekundete er ein amouröses Interesse an Diana, das
ich ebenfalls nicht geplant hatte, und aufgrund der Interaktion zwischen den
dreien wurde seine Figur immer stärker, bis sie – spätestens seit Band 3 – als
gleichberechtigtes Mitglied agierte (wenngleich ich nach wie vor ausschließlich
aus Hendriks oder Dianas Perspektive erzähle, was sich allerdings im übernächsten
Band ändern wird, weil Gregor dort voraussichtlich eine Hauptrolle spielt).
Ähnliches gilt für Anton, den
Arbeiterjungen. Ich hatte ihn ursprünglich erschaffen, um so etwas wie ein
Pendant zu Sherlock Holmes‘ Straßenjungen, die gelegentlich in seinem Auftrag
jemanden beschatteten, in petto zu haben. Für so etwas habe ich Anton
allerdings nie eingesetzt. Stattdessen hat er sich schnell in mein Herz (und
das vieler Leser) gespielt und wurde zu einer Art Ersatzsohn für Hendrik.
Wie kann so etwas geschehen,
fragst du dich? Ganz einfach: Ich schreibe aus meinen Figuren heraus und denke
und fühle während des Schreibprozesses wie sie. Was dazu führt, dass sie oft
genug das Ruder übernehmen und mir klarmachen, dass sie die Dinge anders sehen
als ich. Ein Eigenleben der Figuren ist das, was geschieht, wenn man als Autor
einem Impuls folgt statt der Planung, und der Impuls entsteht, wenn der Autor
in Kopf und Herz der Figuren steckt und ihre Gedanken denkt und ihre Gefühle
spürt. In so einem Moment bin ich nur noch das Medium, schreiben tun
diejenigen, die meinen Roman bevölkern.
Es gibt übrigens noch einen
weiteren Aspekt bezüglich der Figuren, der nicht minder mysteriös ist und mich
immer wieder ehrfürchtig staunen lässt. In der Planungsphase setzte ich mich
intensiv mit den Charakteren auseinander, die ich erschaffen möchte, geben ihnen
Träume und Ängste, Stärken und Schwächen, Marotten und eine Vergangenheit,
kurz: tue alles, um sie lebendig werden zu lassen. Und doch werden sie für mich
erst real – dann aber dafür mit einem Schlag – sobald ich ihnen einen Namen
gebe. Plötzlich, von einem Moment zum anderen, kann ich mit ihnen sprechen,
plötzlich sind sie aus Fleisch und Blut, plötzlich führen sie ein Eigenleben,
als hätten sie mit ihrem Namen eine Seele bekommen. Ist das nicht wahrhaft
wundersam?
Ich werde um die Krimis nicht herum kommen. Spätestens mit der Erwähnung der Straßenkinder von Sherlock Holmes MUSS ich die Romane lesen.
AntwortenLöschenIch finde auch die Interaktionen der drei Personen schon interessant und muss sie doch auch mal "in Action" erleben. Danke für diesen gelungenen Artikel! ;)
Vielen Dank!
AntwortenLöschenhallo Gunnar, mir ist schon ähnliches passiert - aber mit einem Haus: fast so, wie ich es mir vorgestellt habe, steht es in Prag. :-)
AntwortenLöschenHallo Anni,
Löschendas klingt allerdings wahrhaft magisch!