Verbergen sich die Beatles hinter Klaatu?, fragten sich 1977 Musikfans rund um den Erdball.
Das Gerücht hatte der
Musikjournalist Steve Smith losgetreten, und viele Rundfunkstationen und
Printmedien sprangen darauf an und fütterten die Musikwelt mit „Hinweisen“.
Dass das erste Album der Band in den USA von Capitol Records veröffentlicht
wurde, dem amerikanischen Label der Beatles,
war ja noch ein nachvollziehbarer Grund für Spekulationen. Aber auch sonst
schien jedes noch so obskure Detail ein Beweis zu sein, beispielsweise, dass es
in einem der Lieder heißt: „... he’s the only man who’s ever been to hell and
come back alive“, was Fans als Anspielung auf die damals kursierende Verschwörungstheorie
auffassten, Paul McCartney sei in Wahrheit bei einem Autounfall gestorben und
durch ein Double ersetzt worden.
Die Tatsache, dass auf dem 1976
erschienenen Album Klaatu (in Kanada
unter dem Titel 3:47 EST
veröffentlicht) keinerlei biografische Informationen zur Urheberschaft der
Musik zu finden waren und die Band keine Interviews gab, tat ein Übriges, um
die Spekulationen anzuheizen. Und Capitol Records veröffentlichte vieldeutige
Statements, um soviel aus den Gerüchten herauszuholen wie möglich.
Der Hype traf die Gruppe
unvorbereitet. Eigentlich war ihr Schweigen und die Weigerung, biografische
Details mitzuteilen, nur ein Akt der Rebellion gegen das etablierte Musikbusiness
und speziell den Glamrock gewesen. „Wir wollten, dass die Musik für sich selbst
spricht“, sagte eines der Mitglieder später. „Außerdem waren wir drei Jungs aus
Toronto, die niemand kannte.“
Tatsächlich fand ich das Gerücht
schon damals absurd. Die Musik klang überhaupt nicht nach den Beatles,
wenngleich manche Einflüsse nicht von der Hand zu weisen sind. Aber es war
einfach verdammt gute Musik, inhaltlich sehr spacig, wie es damals gerade Mode
wurde.
In Wahrheit handelte es sich bei Klaatu um eine 1973 von John Woloschuk
und Dee Long gegründete Rockband aus Kanada (benannt nach dem Außerirdischen
aus dem Film Der Tag, an dem die Erde
stillstand). Später kam noch der Drummer Terry Draper hinzu.
Das Album Klaatu jedenfalls wurde durch die Gerüchte erfolgreich. Und das
Stück Calling occupants of interplanetary
craft sogar kurz darauf von den Carpenters
gecovert, zu denen es eigentlich überhaupt nicht passte (obwohl ihre Version
durchaus hörenswert ist).
Das Konzeptalbum Hope (1977), das dem ersten folgte und
auf dem übrigens auch das London Symphony
Orchestra mitwirkt, ist für mich eines der besten der Progrockszene und
ganz sicher das mit Abstand beste der Gruppe. Finde übrigens nicht nur ich,
sondern da war sich die Musikwelt damals einig. Es hat u. a. den Canadian music critics award als bestes
Album 1977 gewonnen. Das instrumentale Prelude
beispielsweise haut mich auch heute noch weg.
Woloschuk, der sich wesentlich
für Hope verantwortlich zeigte (sechs
der acht Stücke stammen von ihm), war nach der Produktion erschöpft und gab
Long daher freie Hand für das dritte Album. Sir
Army Suit, 1978 veröffentlicht, war leider kein großer Erfolg beschieden.
Die Band hatte sich vom Progrock Richtung Mainstream orientiert, wobei mir die
Stücke auf der Platte dennoch gut gefallen. Inzwischen war die Identität der
Gruppe jedoch bekannt geworden, und viele der Radiostationen, die während der Sind-sie-die-Beatles-Aufregung
ihre Stücke gespielt hatten, fühlten sich hintergangen und boykottierten Klaatu.
Aufgrund der schlechten Verkaufszahlen
nahm die Plattenfirma massiv Einfluss auf die Band, sodass die Aufnahmen für Endangered Species (1980) zur Qual
wurden. Die Firma hatte zusätzliche Studiomusiker engagiert, und Terry Draper
fühlte sich wie ein Zuschauer, der auf seiner eigenen Platte nicht mehr spielen
durfte. Das Ergebnis fiel entsprechend zwiespältig aus.
Das letzte Studioalbum, Magentalane (1981), wurde denn auch nur
in Kanada veröffentlicht. Ich weiß noch, wie ich damals das Gerücht hörte, dass
es diese Platte gäbe, und schier verzweifelte, weil ich in Zeiten vor dem
Internet nichts darüber in Erfahrung bringen konnte und die Mitarbeiter unseres
örtlichen Plattenladens natürlich von nichts eine Ahnung hatten. Als ich die
Scheibe dann etwa fünfundzwanzig Jahre später hören konnte, war nach all den
aufgebauten Erwartungen die Enttäuschung groß.
Nach diesem fünften Album löste
sich die Gruppe auf. Terry Draper arbeitet lustigerweise als Dachdecker, die
anderen beiden sind weiterhin in der Musikindustrie beschäftigt.
Eine Kuriosität am Rande: 1988
komponierte die Gruppe eigens einen Titel für die Tatort-Folge Tödlicher Treff.
Anspieltipps:
Around the universe
in 80 days
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Gunnar