Sonntag, 19. Oktober 2014

Meine jährliche Dosis Adrenalin


... bekam ich am vergangenen Mittwoch verabreicht.

Mittwoch, 15. Oktober 2014. Am Abend soll ich in Magdeburg lesen, doch wie ich erfahre, streiken ab 14:00 Uhr die Lokführer. Ich studiere Fahrpläne. Kein Problem, der 11:59er vom Ostbahnhof ist laut Fahrplan um kurz vor 14:00 Uhr in Magdeburg, das sollte genügen.

Eigentlich habe ich an diesem Morgen eine Besprechung, die ich leider nach dreißig Minuten bereits wieder verlassen muss, um den Zug noch zu erreichen. Doch was ist das? Die Anzeigetafel teilt mir mit, dass der 11:59er nur bis Werder (Havel) fährt. Wie kann das sein? Ich denke, der Streik beginnt erst um 14:00 Uhr?

Am Ostbahnhof sitzen zwei einsame Herren am Auskunftsschalter, entsprechend lang ist die Schlange hilfloser Fahrgäste, die nicht weiter wissen. Als ich endlich an die Reihe komme und mich nach einer Möglichkeit erkundige, um nach Magdeburg zu gelangen, besteht die einzige Antwort aus Schulterzucken: "Es wird gestreikt.“ Ach nein. Ich frage, warum der Zug, der doch vor Beginn des Streiks in Magdeburg ankommen soll, auf halber Strecke hält. Schulterzucken. (Wie ich am Abend aus den Nachrichten erfahre, hat die Bahn beschlossen, ihre Züge vorsichtshalber schon am Morgen dahin zu fahren, wo sie am Donnerstag gebraucht werden. Mit anderen Worten: Um am Donnerstag Chaos zu vermeiden, haben sie am Mittwoch Chaos produziert).

Es ist mir unbegreiflich, warum die Bahn nie in der Lage ist, auch nur der kleinsten Abweichung des gewohnten Ablaufs angemessen zu begegnen. Zwei vereinzelte Herren am Auskunftschalter, die genauso wenig Ahnung haben wie die Fahrgäste! Aber was erwartet man von einer Organisation, die jedes Jahr aufs Neue davon überrascht wird, dass es im Sommer heiß ist und im Winter schneit!

Ich checke die Busunternehmen, die mir bekannt sind: Mein Fernbus, Flixbus, ADAC Postbus, Berlin Linienbus. Alle sind bereits am Vormittag nach Magdeburg aufgebrochen oder fahren erst wieder gegen Abend. Jetzt bin ich in Panik. Was tun?

Mitfahrgelegenheit! Ich hetze nach Hause. Mittlerweile bin ich schweißgebadet und muss erst mal sämtliche Kleidung wechseln. Dann will ich mich in mein Konto bei mitfahrgelegenheit.de einloggen. Das System nimmt mein Passwort nicht an. Also lasse ich mir ein Neues zuweisen. Zumindest versuche ich es. Dreimal, um genau zu sein, und jedes Mal bekomme ich eine leere Zeile geschickt. Was nun?

Ich erstelle ein neues Konto und logge mich ein. Ja, es gibt einen Fahrer, der um 14:00 Uhr nach Magdeburg fahren will, juchhu! Seine Kontaktdaten sind verborgen, sie werden erst angezeigt, wenn ich meine Handynummer eingegeben habe. Ich tue, was verlangt wird. Das System wirft mich raus: „Ihre Nummer wird von einem anderen Konto benutzt.“ Klar, von meinem eigenen!

Jetzt könnte ich wirklich schreien. Ich fluche und schlage die Faust gegen die Wand, um meiner Frustration Herr zu werden. Und die Zeit läuft mir davon!

Noch einmal probiere ich, mir ein neues Passwort fürs alte Konto zuweisen zu lassen, und siehe da: Diesmal klappt’s. Ich logge mich ein. Klicke den Fahrer an. Gebe meine Handynummer ein. Und fliege raus: „Ihre Nummer wird von einem anderen Konto benutzt.“

Liebe Leute, je mehr ihr versucht, eure Kunden zu gängeln und in Schablonen zu pressen, desto anfälliger ist das System für Fehler und desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass es sich mangels Ausweichmöglichkeit gegen einen kehrt. Ist euch dieser Gedanke schon mal gekommen?

Ich versuche, mein zweites Konto zu löschen, finde aber auf die Schnelle auf der ganzen Seite keinen Hinweis darauf, wie man das macht. Auch keine Notfalltelefonnummer. Ich schicke eine Mail an die Betreiber mit Bitte um schnelle Antwort. Keine Reaktion.

Nun bin ich langsam mit meinem Latein am Ende. Doch, halt! Vielleicht gibt es ja auch Busunternehmen, von denen ich noch nichts weiß. Ich gebe eine entsprechende Suchanfrage ein. Und richtig: One Bus fährt um 14:00 Uhr vom Berliner ZOB nach Magdeburg.

Zum ZOB brauche ich eine knappe Stunde, und die Uhr zeigt 12:45 Uhr. Ich gebe meine gesammelten Personalien ein. Die Nummer der VISA-Card. Die Gültigkeitsdauer. Den Sicherheitscode. Buche. Kopiere mir das E-Ticket auf einen Stick, weil ich zurzeit gerade mein Computersystem umstelle und der Drucker nur am anderen Computer funktioniert. Übertrage die Daten. Drucke. Schnappe meine Sachen. Hetze los.

Elf Minuten vor der Abfahrt erreiche ich den Bus.

2 Kommentare:

  1. jetzt fühle ich mich innerlich vorbereitet auf den drohenden Streik...ich sollte die nächsten Tage joggen gehen, damit ich das überstehe...danke für den amüsanten Bericht!

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Vielen Dank für deinen Kommentar. Sobald ich ihn geprüft habe, schalte ich ihn frei.

Viele Grüße

Gunnar