Das Leben könnte so einfach sein,
wenn jeder ein paar Grundregeln der Kommunikation beherrschen würde. Ich, zum
Beispiel, könnte einen großen Teil meiner Arbeitszeit einsparen und für
Sinnvolleres verwenden, wenn ich nicht ständig allen möglichen Leuten hinterherlaufen
müsste.
Was ist so schwer daran,
jemanden, der einem auf den Anrufbeantworter gesprochen hat, zurückzurufen? Was
ist so schwer daran, Mails zu beantworten? Oder einem Bewerber höflich in einem
Satz abzusagen? Oder Versprechen zu halten? Wenn ich einen Euro bekäme für
jedes Mal, wo mir jemand am Telefon mitteilt, ich bekäme „auf jeden Fall Nachricht“,
um dann nie wieder von sich hören zu lassen, könnte ich mir ein eigenes Call-Center
leisten.
Das Schlimme ist: Es ist oft kein
Zeichen von Desinteresse. Wäre es ein Zeichen von Desinteresse, wäre die Lösung
einfach: Abhaken. Weitermachen. Leider ist es jedoch häufig nur ein Zeichen von
mangelndem Organisationsvermögen. Es kommt durchaus nicht selten vor, dass mich
ein Veranstalter, der meine Bücher schätzt, aber im alltäglichen Chaos versinkt,
nach mehrmaligem Nachhaken für eine Lesung engagiert.
Was habe ich nicht alles an
mangelndem Kommunikationsverhalten erlebt! Zum Beispiel beim Finanzamt. Da muss ich regelmäßig feststellen, dass die Beamten
am Infopoint noch weniger Ahnung haben als ich, dies aber durch ausgesuchte
Arroganz und Aggressivität zu kompensieren versuchen.
Oder eine Fernsehjournalistin, die mal ein Interview mit mir geführt
hat. Die bot mir von sich aus an, mir eine DVD mit dem fertigen Werk
zuzuschicken. Was sie dann nicht tat. Auch nicht nach einer Mailanfrage von
mir, die sie einfach ignorierte. Ich meine, ich hätte es ja verstanden, wenn ich derjenige gewesen wäre, der nach
einer DVD gedrängelt hätte. Dass sie dann einfach „Jaja“ sagt, um ihre Ruhe zu
haben. Aber sie war es, die davon anfing.
Ich bin nicht mal auf den Gedanken gekommen. Warum sagen Leute etwas, wenn sie
es gar nicht meinen?
Einmal habe ich von den
Veranstaltern einer Lesung meine Fahrtickets zurückgeschickt bekommen, weil
angeblich die Abrechnung nicht stimmte. Der Fehler lag jedoch bei den
Veranstaltern. Hätten sie nicht einfach anrufen können: „Wir haben hier eine
Unregelmäßigkeit, lassen sie uns die klären“, statt dass Tickets sinnlos hin-
und hergeschickt werden?
Es gibt natürlich auch Leute, die
hoffen, dass sich Probleme von selbst erledigen, wenn man sie einfach
ignoriert. Tun sie auch oft. Vielleicht zwanzig Prozent. Die restliche achtzig
sind dafür nach längerer Nichtbeachtung in ein derart heilloses Durcheinander geraten,
dass es doppelt so lange dauert, sie zu entwirren. Probleme werden nicht besser, indem man sie vor sich herschiebt.
Am meisten liebe ich ja die
Leute, die einem dummes Zeug erzählen, weil sie zu feige sind, Verantwortung
für ihre Handlungen zu übernehmen. Zum Beispiel wenn ich bei einer Buchhalterin
anrufe und erkläre, dass das Honorar für meine letzte Lesung immer noch nicht
auf meinem Konto eingegangen ist. Und dann zur Antwort bekomme: „Der Vorgang
muss wohl verschütt gegangen sein.“ Der böse, der. Dabei hat die Buchhalterin
ihm doch extra noch ins Gewissen geredet: „Geh nicht verschütt!“ Aber nein, der
Vorgang wollte einfach nicht hören.
Zu welchem Erfindungsreichtum
Menschen doch in der Lage sind, um nicht für ihre Taten geradestehen zu müssen!
Was könnte man mit dieser Energie nicht alles anfangen! Zum Beispiel die Arbeit
ordentlich erledigen, für die unter großem Aufwand Ausreden gesucht werden.
Warum können die Leute nicht sagen: „Oh, hab’ ich vergessen, tut mir leid, wird
sofort erledigt“? Wie einfach könnte das Leben sein! Stattdessen wird der, der
nicht zu seinen Fehlern steht, garantiert bei passender Gelegenheit denselben
Fehler wiederholen. Wie eben besagte Buchhalterin. Die beim nächsten Mal zu mir
sagte: „Ach je, Sie sind aber auch unser Sorgenkind.“ Als wäre ich derjenige,
der die Fehler macht.
Auch schön war folgender
Wortwechsel mit der Angestellten eines Verlages (der kurz darauf Insolvenz
anmeldete): „Guten Tag, ich habe das Honorar für meine Kurzgeschichte noch
nicht erhalten.“ – „Das ist bereits unterwegs.“ Zwei Wochen später: „Das wird
nächste Woche überwiesen.“ Weitere zwei Wochen später: „Es wird abgearbeitet.“
Und schließlich, nachdem ich mich direkt mit der betreffenden Dame der
Buchhaltung verbinden ließ: „Ich setze Sie auf die Liste.“ Worauf ich
erwiderte: „Ich will auf keine Liste,
ich will mein Honorar.“
Warum haben so viele Menschen nicht den Mut, Verantwortung für ihre
Handlungen zu übernehmen? Warum sind so viele Menschen unzuverlässig?
Warum sind so viele Menschen unfähig zu jeder noch so simplen Kommunikation?
Es ist doch ganz einfach: Wenn
Mails eine Antwort verlangen, drücke ich auf den „Antwort“-Button und schreibe
eine Zeile, das dauert keine Minute. Wenn ich versprochen habe, etwas bis
Mittwoch zu erledigen, habe ich es bis Mittwoch erledigt. Wenn etwas dazwischenkommt,
rufe ich spätestens am Mittwoch an oder schicke eine Mail: Tut mir leid, schaffe es nicht, ich erledige es am Freitag. Ist das
so schwierig?
Wie wenig muss jemand von sich
halten, dessen Wort anscheinend nichts gilt. Welch geringen Wert muss jemand
sich selbst beimessen, dessen Wort wertlos ist, weil es keinerlei Verbindlichkeit
enthält.
Selbst Röhren kommunizieren
besser.
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Gunnar