Soweit es Lesungen betrifft, bin
ich ein pflegeleichter Autor. Ich darf das sagen, denn es ist die Wahrheit. Ich
bin gut organisiert, stelle vorbereitetes Werbematerial zur Verfügung, buche
Zugtickets frühzeitig, damit dem Veranstalter möglichst geringe Kosten
entstehen, nehme immer einen Zug früher, um etwaige Verspätungen der Bahn
auszugleichen, erscheine eine halbe Stunde vor Beginn am Veranstaltungsort,
damit der Veranstalter beruhigt ist, erwarte weder rote Teppiche noch Sekt und
Kaviar, sondern bloß ein Glas Wasser und eine Lampe, bin exzellent vorbereitet,
gebe während der Lesung mein Bestes, egal wie viele Zuschauer kommen, und bin
von Anfang bis Ende zuverlässig.
In der Regel bedeutet das, dass
mein Verhältnis zu Veranstaltern ein gutes, ja, herzliches ist. Es gibt
allerdings Ausnahmen. Der Umgang, den einige Wenige in dieser Branche anscheinend
für angemessen halten, ist mehr als befremdlich. Drei Beispiele aus meinem
Alltag mögen dies illustrieren.
2009. Um 19.30 Uhr soll die
Lesung in einem Club in Frankfurt am Main beginnen. Ich bin frühzeitig da, doch
niemand von den Verantwortlichen lässt sich blicken. Niemand hält es auch nur
für nötig, den Leseraum herzurichten, der eher einer Rumpelkammer ähnelt oder
einem aufgegebenen Büro, was er vermutlich auch ist mit seinen verstaubten
Akten. Sollen wir etwa um den Tisch sitzen, als wollten wir Tagesordnungspunkte
abarbeiten? Von Atmosphäre keine Spur. Also lege ich selbst Hand an, um
wenigstens für bequeme Sitzmöglichkeiten und gute Sicht zu sorgen.
Der Veranstalter erscheint fünf
Minuten vor Veranstaltungsbeginn und ist die Ruhe selbst. Da vermutlich die
Werbung für die Lesung ebenso entspannt betrieben worden ist, taucht
schließlich eine einzige Besucherin auf, die noch dazu über meinen eigenen
Verteiler kommt. Ich bin übel erkältet, wäre ich nicht ohnehin schon auf Reisen
gewesen, hätte ich abgesagt. Aber der Veranstalter besteht darauf, dass ich
dennoch zwei Kapitel krächze.
Als mein Honorar Wochen später
immer noch nicht eingetroffen ist, bitte ich ihn, da sich das Jahresende nähert
und ich die Veranstaltung gern sauber im alten Jahr abgerechnet hätte, für die
rechtzeitige Überweisung zu sorgen. Das Geld
wird gemächlich am 4. Januar des Folgejahres auf meinem Konto
gutgeschrieben.
2012. Ich rufe eine
Veranstalterin aus Hamburg an, mit der ich bereits eine gute Erfahrung gemacht
habe. Sie scheint mir engagiert, ist begeistert von meinen Krimis und hat vor
zwei Jahren eine wunderbare Lesung mit achtzig Zuhörern organisiert. Allerdings
hat sie sich mit der Dachorganisation überworfen und will nun etwas Eigenes auf
die Beine stellen. Deshalb biete ich ihr Sonderkonditionen an. Prima, alles in
Butter.
Kurz vor dem festgelegten Termin
rufe ich noch einmal an, um letzte Details zu besprechen. Ach, es täte ihr
leid, aber leider müsse der Termin ausfallen, sie habe da schon etwas anderes.
Klar, warum sollte sie auch soviel Anstand besitzen, mir von sich aus abzusagen,
nur weil ich mir den Tag für sie freigehalten habe? Es ist ja schließlich bloß
meine Zeit, die sie verplempert. Aber sie habe auch eine gute Nachricht für
mich, meint sie: Ihr gefalle mein Roman.
2013. Seit einem dreiviertel Jahr
bin ich mit der Kinderbuchhändlerin eines kleinen Ortes in Baden-Württemberg in
Kontakt, die eine Lesung mit mir machen möchte. Ich kann ihr günstige
Bedingungen anbieten, denn ich lese ohnehin in ihrer Stadt (für Erwachsene),
sodass sie sowohl die Reise- als auch die Übernachtungskosten spart. Ich habe
ihr sogar ein kostenloses Leseexemplar aus meinem eigenen Bestand zugeschickt.
Der Termin steht, nur die Uhrzeit fehlt noch.
Ich rufe gefühlte hundert Mal in
der Buchhandlung an, um diesen Punkt zu klären, weil ich mein Bahnticket buchen
will, das immerhin mit jedem Tag teurer wird, erwische sie jedoch nie. Ich
maile ihr. Ja, im Laufe des Tages wisse sie es hundert Prozent, erhalte ich zur
Antwort. Das war am Montag. Am Donnerstag bekomme ich sie endlich ans Telefon.
Oh, leider müsse sie absagen. Auf meine Bemerkung, es wäre schön gewesen, wenn
sie mir das umgehend mitgeteilt hätte, meinte sie, es habe sich „erst in den
letzten Tagen ergeben“.
Ist es wirklich so schwer, einen
Umgang miteinander zu pflegen, der auf gegenseitiger Achtung beruht?
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Gunnar