Sonntag, 24. August 2014

Lesen und lesen lassen



Soweit es Lesungen betrifft, bin ich ein pflegeleichter Autor. Ich darf das sagen, denn es ist die Wahrheit. Ich bin gut organisiert, stelle vorbereitetes Werbematerial zur Verfügung, buche Zugtickets frühzeitig, damit dem Veranstalter möglichst geringe Kosten entstehen, nehme immer einen Zug früher, um etwaige Verspätungen der Bahn auszugleichen, erscheine eine halbe Stunde vor Beginn am Veranstaltungsort, damit der Veranstalter beruhigt ist, erwarte weder rote Teppiche noch Sekt und Kaviar, sondern bloß ein Glas Wasser und eine Lampe, bin exzellent vorbereitet, gebe während der Lesung mein Bestes, egal wie viele Zuschauer kommen, und bin von Anfang bis Ende zuverlässig.

In der Regel bedeutet das, dass mein Verhältnis zu Veranstaltern ein gutes, ja, herzliches ist. Es gibt allerdings Ausnahmen. Der Umgang, den einige Wenige in dieser Branche anscheinend für angemessen halten, ist mehr als befremdlich. Drei Beispiele aus meinem Alltag mögen dies illustrieren.


2009. Um 19.30 Uhr soll die Lesung in einem Club in Frankfurt am Main beginnen. Ich bin frühzeitig da, doch niemand von den Verantwortlichen lässt sich blicken. Niemand hält es auch nur für nötig, den Leseraum herzurichten, der eher einer Rumpelkammer ähnelt oder einem aufgegebenen Büro, was er vermutlich auch ist mit seinen verstaubten Akten. Sollen wir etwa um den Tisch sitzen, als wollten wir Tagesordnungspunkte abarbeiten? Von Atmosphäre keine Spur. Also lege ich selbst Hand an, um wenigstens für bequeme Sitzmöglichkeiten und gute Sicht zu sorgen.

Der Veranstalter erscheint fünf Minuten vor Veranstaltungsbeginn und ist die Ruhe selbst. Da vermutlich die Werbung für die Lesung ebenso entspannt betrieben worden ist, taucht schließlich eine einzige Besucherin auf, die noch dazu über meinen eigenen Verteiler kommt. Ich bin übel erkältet, wäre ich nicht ohnehin schon auf Reisen gewesen, hätte ich abgesagt. Aber der Veranstalter besteht darauf, dass ich dennoch zwei Kapitel krächze.

Als mein Honorar Wochen später immer noch nicht eingetroffen ist, bitte ich ihn, da sich das Jahresende nähert und ich die Veranstaltung gern sauber im alten Jahr abgerechnet hätte, für die rechtzeitige Überweisung zu sorgen. Das Geld  wird gemächlich am 4. Januar des Folgejahres auf meinem Konto gutgeschrieben.

2012. Ich rufe eine Veranstalterin aus Hamburg an, mit der ich bereits eine gute Erfahrung gemacht habe. Sie scheint mir engagiert, ist begeistert von meinen Krimis und hat vor zwei Jahren eine wunderbare Lesung mit achtzig Zuhörern organisiert. Allerdings hat sie sich mit der Dachorganisation überworfen und will nun etwas Eigenes auf die Beine stellen. Deshalb biete ich ihr Sonderkonditionen an. Prima, alles in Butter.

Kurz vor dem festgelegten Termin rufe ich noch einmal an, um letzte Details zu besprechen. Ach, es täte ihr leid, aber leider müsse der Termin ausfallen, sie habe da schon etwas anderes. Klar, warum sollte sie auch soviel Anstand besitzen, mir von sich aus abzusagen, nur weil ich mir den Tag für sie freigehalten habe? Es ist ja schließlich bloß meine Zeit, die sie verplempert. Aber sie habe auch eine gute Nachricht für mich, meint sie: Ihr gefalle mein Roman.

2013. Seit einem dreiviertel Jahr bin ich mit der Kinderbuchhändlerin eines kleinen Ortes in Baden-Württemberg in Kontakt, die eine Lesung mit mir machen möchte. Ich kann ihr günstige Bedingungen anbieten, denn ich lese ohnehin in ihrer Stadt (für Erwachsene), sodass sie sowohl die Reise- als auch die Übernachtungskosten spart. Ich habe ihr sogar ein kostenloses Leseexemplar aus meinem eigenen Bestand zugeschickt. Der Termin steht, nur die Uhrzeit fehlt noch.

Ich rufe gefühlte hundert Mal in der Buchhandlung an, um diesen Punkt zu klären, weil ich mein Bahnticket buchen will, das immerhin mit jedem Tag teurer wird, erwische sie jedoch nie. Ich maile ihr. Ja, im Laufe des Tages wisse sie es hundert Prozent, erhalte ich zur Antwort. Das war am Montag. Am Donnerstag bekomme ich sie endlich ans Telefon. Oh, leider müsse sie absagen. Auf meine Bemerkung, es wäre schön gewesen, wenn sie mir das umgehend mitgeteilt hätte, meinte sie, es habe sich „erst in den letzten Tagen ergeben“.

Ist es wirklich so schwer, einen Umgang miteinander zu pflegen, der auf gegenseitiger Achtung beruht?

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Gunnar