Damit wir uns recht verstehen:
Ich habe nicht vor, aus Berlin wegzuziehen. Abgesehen von den Freunden, die ich
hier habe, schätze ich dafür allein die Infrastruktur der Bibliotheken zu sehr.
Trotzdem geht es mir regelmäßig so, wenn ich wie in dieser Woche in ländlichen
Gegenden auf Lesereise unterwegs bin, dass ich mich frage, ob ich dort nicht
glücklicher wäre.
Ich weiß natürlich, dass das eine
Illusion ist. Ich komme aus einer Kleinstadt, ich kenne das Ausmaß an sozialer
Kontrolle und Heuchelei, das dort herrscht. Deswegen fühle ich mich ja in den
Extremen am wohlsten: in Großstädten und der Einsamkeit des schottischen
Hochlands.
Dennoch: Wie oft geschieht es,
dass ich in Berlin vor die Tür trete und denke: Was laufen hier bloß für
Bekloppte herum! Mich stören die Selbstsucht, die Rücksichtslosigkeit, die
Aggressivität, die man an jeder Supermarktkasse erleben muss. Dass ich als
Radfahrer täglich mein Leben riskiere, weil überall Autos in der zweiten Reihe
parken und deren Fahrer dann auch noch achtlos die Türen aufreißen. Dass
Menschen, die sich auf dem Fußweg entgegenkommen, nicht ausweichen, sondern
sich lieber über den Haufen rennen.
Da, wo die Welt noch in Ordnung
ist, gehen die Menschen zumindest freundlich miteinander um. Und wenn sie über
Politik diskutieren, dann weniger verbohrt und dogmatisch. Das kommt mir so
wunderbar normal vor, gerade weil ich im Augenblick das Gefühl habe, dass in
diesem Land mehr und mehr die Fanatiker, die Bekloppten, die Neurotiker das
Sagen haben und unser Denken beherrschen. Mit Bombendrohungen Karnevalsumzüge
verhindern. Oder mit Trillerpfeifen offene Diskussionen. Quotenregelungen für
Straßennamen fordern, weil wir ja sonst keine Probleme haben. Oder eine Jasna Strick,
die dank feministischer Seilschaften von den Mainstreammedien hofiert wird und
etwa in der Süddeutschen Zeitung weinerlich und selbstverliebt darüber
lamentieren darf, dass ihr kein Job vor die Füße gelegt wird. Und dafür von
einer quasi-gleichgeschalteten Presse betüddelt wird.
Apropos Presse. Bin ich
eigentlich der Einzige, der die Heuchelei dort zunehmend unerträglich findet?
Dieselben Opportunisten, die seit langem zu Hofberichterstattern verkommen sind
und nicht einmal mehr die grundlegendsten Recherchen anstellen, sondern kritiklos
jeden Dreck von Politikern und Lobbyisten übernehmen, instrumentalisieren die Ermordeten
von Charlie Hebdo mit ihrem „Ich bin Charlie Hebdo“, um damit selbst ein bisschen
revolutionäre Aura abzubekommen. Dieselben Leute, die sich (zu Recht) darüber
empören, wenn Islamisten keine Kritik vertragen und Karikaturen mit Terror
beantworten, jaulen auf, wenn in der Öffentlichkeit (ebenfalls zu Recht) das
Wort „Lügenpresse“ die Runde macht. Dann versuchen sie diejenigen, die dieses
Wort benutzen, in die Nähe eben jener Terroristen zu rücken, um sie auf diese
Weise mundtot zu machen.
Der britische Komiker John Cleese
hat mal in einem Interview über seine Serie „Fawlty Towers“ gesagt, die
Bewegung der Politischen Korrektheit werde weitgehend von Fanatikern getragen.
Und wenn die Gesellschaft von den empfindlichsten Leuten regiert werde, dann
sei das krank. Denn dann sei der allgemeine Maßstab der von Leuten, die ihre Gefühle
schlecht beherrschen. Dem ist nichts hinzuzufügen.
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Gunnar